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Mitglieder des (großteils migrantischen) Vereins Helfer HBF e.V. halfen 2015 rund 200.000 Transitflüchtlingen am Hauptbahnhof bei der Weiterreise in skandinavische Staaten, besorgten Schlafplätze, Essen, Kleidung … Solche Transitflüchtlinge gibt‘s nicht mehr, aber viele Hiergebliebene, denen die Helfer mit Deutschkursen, Fahrradtouren und gemeinsamen Besuchen vieler Veranstaltungen zur Seite stehen.

Gegessen wird in einem Container an Bierzeltgarnituren, mit Geschirr und Besteck aus Plastik, und geschlafen in einer Turnhalle mit dicht an dicht stehenden Doppelstockbetten. Ich schämte mich beim Anblick von zu kleinen Schuhen an Kindern, zu großen Pullis bei jungen Frauen und viel zu weiten Jeans. Aber es gab auch viele schöne Eindrücke, Tränen der Freude wie die Kinder zu deutschen Liedern tanzen und das ABC singen, und strahlende Gesichter über die „Neue“ im Camp. Es gibt dort einfach keine Fahrräder. Okay. Dann müssen welche her. Schnell. Der Hamburger Verein Westwind repariert seit Monaten Hunderte gespendeter Fahrräder für Geflüchtete. Also, ab auf die Warteliste. Zwei, drei Monate. Oh je. Das dauert viel zu lange. Über Kleinanzeigen und Dank der unglaublichen Spendenbereitschaft der Hamburger und etlicher Kollegen, kamen schnell ein paar Fahrräder zusammen. Regelmäßig reparieren wir nun Räder in meinem Kleingarten. Fehlendes Licht, defekte Schaltungen und Schläuche werden instand gesetzt, sodass es mittlerweile in der Unterkunft über 50 Fahrräder gibt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an meine Kollegen. Noch heute erhalte ich von meinem Spendenaufruf Fahrräder! Die erste Fahrrad-Tour mit den Flüchtlingen war eine echte Herausforderung. Haltet Abstand, eine Reihe, konzentriert euch und schaut nach vorne. Schilder und Regeln mussten erst erklärt und erlernt werden. Und keine der Frauen konnte fahren. Mit Geduld, Übung, Teamgeist und viel Spaß haben wir es geschafft, sodass die wöchentlichen Touren mittlerweile eine große Freude für alle sind. Wir sind dann die Attraktion auf der Straße, mit bis zu 25 Teilnehmern. Mit den geübten Fahrern sind wir bereits 100 km Touren nach Bremen und Glückstadt geradelt. Der 17-jährige Khaled, der gar nicht genug vom Fahren und der Technik bekommen kann, hat Dank Social Network schnell einen geeigneten Schüler-Praktikumsplatz gefunden. Als was? Fahrradmechaniker. Wir radeln nicht nur, es gibt auch Sightseeing – wir besuchen Konzerte, den Dom, Freibäder, sämtliche Hamburger Parks und die HVV-Fähre wird von allen geliebt. Ich kenne mittlerweile einzelne arabische Vokabeln, wurde in die kurdische Küche eingeführt und erlerne neue Traditionen, zum Beispiel die irakischen und afghanischen Tänze. Die Neugierde, Offenheit und Fröhlichkeit der Geflüchteten ist grenzenlos und total ansteckend. Dazu tragen viele Hamburger bei – das Engagement ist überwältigend und die fleißigen Haarschneider, Dancing Kids, Moving-Movie und der ADFC sind regelmäßige Besucher bei uns im Camp. Hamburger Familien und Kollegen spenden Kleidung und Spielzeug, jene die es können Geld und viele ihre Freizeit. Freundschaften entstehen und Integration kann so einfach sein. Der eher stille 24-jährige Zydan aus dem Irak blühte bei den Radtouren so richtig auf und wir kamen schnell ins Gespräch. Ich lernte seine schwangere Frau und ihre zwei Jungs kennen. Sie fragte mich nach meinen Geschwistern und ich erzählte ihr, dass ich einen Bruder Namens Julian habe. Ich scherzte, das sei doch ein schöner Name für ́s Baby. Wenn wir uns von da an gesehen haben, habe ich ihren Bauch berührt und gefragt, wie es Julian geht. Alle haben dann gelacht. Viele Menschen lassen in Syrien, Irak und Afghanistan ihr Leben, doch diese Familie hat es geschafft und ein neues Leben wurde am 06.08.2016 geboren: Julian Alyas, mögen du und deine Familie ein glückliches und friedliches Leben in Deutschland führen und ich hoffe, ich darf ein Teil davon sein.
Janice Kauert

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